Ende des 19. Jahrhunderts wurde in der immer größer werdenden Industriestadt Berlin angesichts des allgegenwärtigen Wohnelends (nicht selten 6-8 Personen in Einraumwohnungen mit Außentoiletten und ohne Bad) und katastrophaler hygienischer Bedingungen ein Ruf nach öffentlichen Badeanstalten laut. Der Dermatologe Dr. Lassar forderte bereits in den 1880er Jahren „ein wöchentliches Bad für jeden Deutschen“! Der Stadtplaner Ludwig Hoffmann wurde beauftragt, im dicht besiedelten Stadtteil Berlin-Kreuzberg ein Stadtbad mit Bade- und Duschabteilung zu bauen.
Das Stadtbad Kreuzberg (Baerwaldbad) wurde in den Jahren 1898 – 1901 gleichzeitig mit dem Bau der Pfarrschule Wilmsstraße 10 (heute Bürgermeister Herzschule) und der von Paul Schröder entworfenen Apostolischen Kirche errichtet. Zuerst wurde der südliche Teil mit dem kleinen Schwimmbad gebaut. Das Bad beherbergte ein U-förmiges Schwimmbad von 21,20 m Länge und 9,15 m Breite sowie 69 Bade- und 42 Duschräume, eine medizinische Abteilung, die notwendigen Kassenräume und – im Obergeschoss – Wohnungen für die Bediensteten. Im hinteren Teil des Gebäudes befindet sich eine zusätzliche Treppe, die den Schülern der dahinter liegenden Schule einen direkten Zugang zu den Badebereichen ermöglichte.
Bald wurde das stark frequentierte Bad zu klein, so dass in den Jahren 1913-1917 an der Ecke Baerwaldstraße / Wilmsstraße ein Anbau gebaut wurde. Der Neubau wurde mit einem Schwimmbad (Länge 25 m, Breite 9,55 m), 35 Duschbädern und einer Gesundheits- und Wellnessabteilung ausgestattet.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die neuere „Große Halle“ vollständig zerstört.
Im Jahr 1951 beschloss der Bezirk, das zweite Schwimmbad wieder aufzubauen. Nach dreijähriger Bauzeit wurde es am 28. August 1955 der Öffentlichkeit übergeben. In den folgenden Jahren war das Bad sehr beliebt, da viele Kreuzberger Wohnungen noch ohne Bad waren. Das Schul- und Vereinsschwimmen fand im Badezimmer statt. Viele Kreuzberger haben hier das Schwimmen gelernt. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden einzelne Abteilungen schrittweise (mangels Nachfrage) geschlossen, bis 1998 das öffentliche Bad eingestellt wurde. Stattdessen gab es nur Schul- und Vereinsschwimmen und 2002 das finale Aus.
Die Mitglieder der Kreuzberger Schwimmvereine wollten dies nicht akzeptieren und gründeten die Initiative „Baerwaldbad“ und den Verein TSB e.V.. Der Verein arbeitet seither mit viel ehrenamtlichem Engagement und kümmert sich bis heute vor allem um die Instandhaltung des Gebäudes. Auf Grund des zunehmenden Kostendrucks/defizitären Schwimmbetriebs musste der Badebetrieb im Herbst 2017 bedauerlicherweisee ingestellt werden. Beide Schwimmbecken sind mittlerweile entleert.
Das Gebäude
In den Jahren 1898-1901 nach den Plänen des Stadtbaumeisters Ludwig Hoffmann erbaut, wirkt dieses dreigeschossige Gebäude auf den ersten Blick wie ein römisches oder florentinisches Renaissance-Schloss. Erst auf den zweiten Blick sieht man die untypische Konstruktion der Zwischenebene mit kleinen Fenstern (Luken). Dahinter befinden sich die Zellen der Badewannen. Die Fassade ist unterteilt in ein rustikales Erdgeschoss aus Wünschelburger Sandstein mit großen Bogenfenstern, ein Fries mit Luken im zweiten Stock ergänzt den rustikalen Teil der Fassade. Das Obergeschoss, in dem sich die ehemaligen Personalräume der Badbediensteten befinden, ist glatt verputzt.
Das beeindruckende Hauptportal wurde von dem Bildhauer Otto Lessing entworfen.
Im Erdgeschoss befanden sich links und rechts neben dem Haupteingang (heute nur noch links) zwei Kassen, der Vorraum und zwei Treppenhäuser. Dahinter, in der Hauptachse des Gebäudes, befindet sich das kleine Schwimmbad mit einem U-förmigen Becken und einem hohen Tonnengewölbe. An den Längsseiten des Pools befinden sich Arkaden mit jeweils 5 Rundbögen, auf denen eine Galerie läuft. Die Dekoration der Rundbögen stammt von Ernst Westphal. In jedem der Rundbögen befanden sich zwei Umkleideräume, deren Pfosten mit Skulpturen verziert waren.
Im Zwischengeschoss befanden sich die Wannenbäder. Diese Räume wurden 2006 entkernt und in den folgenden Jahren zu Sporträumen umgebaut.
Das Gebäude steht heute unter Denkmalschutz.
Text: Klaus Müller
Aktualisierungen: TSB e.V.
Quellen: Dörte Döhl „Ludwig Hoffmann, Bauen für Berlin 1896-1924“, Wikipedia, freie Enzyklopädie